Autor: Diletta Corsini, Übersetzung Vanessa

Das Weinfenster in der Via Santa Monaca, das vermutlich einst zur Cantina Mangani gehörte. Am Eisengitter des darüber liegenden Fensters hängt ein Vorhangschloss.

Eine Begegnung, eine Erinnerung

Lorenzo Curradi sitzt im Publikum und verfolgt mit großer Aufmerksamkeit die Präsentation über unsere Kulturvereinigung. Am Ende steht er auf und kommt auf mich zu. Er habe Kindheitserinnerungen, von denen er mir gerne erzählen würde… Wir befinden uns in der Mitte der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Ich bin sechs oder sieben Jahre alt und wohne in der Via dei Fossi n. 1. Ich warte darauf, dass mich mein Opa abholt und wir zu ihm nach Hause gehen. Er wohnt wenige hundert Meter entfernt, in der Via Santa Monaca, auf der anderen Seite des Arno. Und da ist Nonno Turiddu!

Das entzückende Weinfenster der Keramiker-Familie Cantagalli mit seinem türkisfarbenen Türchen.

Eine Neuentdeckung im Stadtteil Galluzzo!

Die schönen Überraschungen nehmen kein Ende! Die höchste Dichte an Weinlöchern herrscht natürlich innerhalb der Stadtmauern von Florenz. Wir befinden uns nun außerhalb dieser Zone. Draußen am Stadtrand kommt nur ein leidenschaftlicher und kompetenter Forscher wie Massimo Casprini auf die Idee, seinen Blick entlang der Mauern der Landhäuser schweifen zu lassen. Und ausgerechnet hier taucht in seiner vollen Schönheit ein Weinfenster auf, das bis dato keine Erwähnung gefunden hatte. Genau gesagt befinden wir uns in der Via della Greve im Stadtteil Galluzzo. Der Wein, der hier verkauft wurde stammte aus der Kellerei der berühmten Keramiker-Familie Cantagalli.

Der Eisverkäfer recht eine To-go-Box durch das Weinfenster der Gelateria Vivoli.

Handel auf Abstand – gestern und heute

Vor Kurzem entdeckte die Associazione Buchette del Vino in einem Buch von 1634 den ältesten Beleg über den Weinverkauf durch unsere geliebten Fenster: unter besonderen Umständen, hervorgerufen durch eine Epidemie. In seinem Bericht zur Ansteckung in Florenz in den Jahren 1630 und 1633 erzählt der Florentiner Gelehrte Francesco Rondinelli, dass diese schreckliche Epidemie ganz Europa in zwei Wellen heimsuchte. Zu dieser Zeit wurde der Wein aus den Palazzi heraus verkauft. Es gab zwei mögliche Vorgehensweisen: Entweder kaufte der Kunde bereits abgefüllten Wein durch das Fenster oder er füllte die eigene Flasche über einen Hahn auf, welcher durch einen Behälter im Inneren des Gebäudes gespeist wurde.

Das gut erhaltene Weinfenster in der Via Torta. An der gelben Mauer, mit Stein umrandet und mit einem gut erhaltenen, braunen Holztürchen versehen.

1958: Das letzte Weinloch von Florenz

Aus den Erinnerungen des Marchese Bernardo Gondi. An der krummen Fassade des großen gelben Gebäudes zwischen der Via Torta, der Via dell’Anguillara und der Via delle Burella, charakterisiert durch zwei mächtige Löwenköpfe an den Seiten seines Portals, finden wir ein historisches Weinfenster. Zumindest von außen ist es sehr gut erhalten. Dieses mit Stein umrahmte und erwartungsgemäß unter einem der Fenster nahe des Haupteingangs befindliche Türchen war das letzte „aktive“ Weinloch von Florenz. Zumindest nach jetzigem Stand. Wir hatten einen angenehmen Plausch mit Marchese Gondi, der in diesem Palazzo in der Via Torta geboren wurde und dort bis zu seiner Jugend wohnte. Er lieferte uns Antworten auf ein paar Fragen, die wir uns schon lange stellten: WANN wurden die Weinlöcher geschlossen? Und vor allem: WESHALB wurden sie aufgegeben?

Auf dem Bild sieht man ein Türchen, das sich nach außen öffnen lässt.

Nicht hinter jedem Türchen steckt ein Weinloch

Auf einen ersten, flüchtigen Blick sehen sie tatsächlich aus wie Weinlöcher. Sie sind bogenförmig, verfügen über ein Türchen oder die Reste eines solchen, wie etwa Scharniere. Sie befinden sich auf Körperhöhe an den Fassaden mehr oder weniger herrschaftlicher Gebäude oder unter Gewölbebögen, die in eine Gasse oder Straße führen. Meist sind sie jedoch kleiner als die uns bereits bekannten Öffnungen. Wir haben es hier nicht mit Weinfensterchen zu tun, sondern mit einer Art Wartungsschacht. Durch diesen konnte ein Seil oder ein Seilzug eine an der Fassade angebrachte Öllampe nach oben und unten befördern. Dabei handelte es sich in den meisten Fällen um die Votivlampe eines Schreins oder einer Heiligendarstellung.