Gastbeitrag

Neun Geheimnisse Mailands

Die kunstvolle Fassade des Mailänder Doms vor strahlend blauem Himmel.
Die Fassade des Mailänder Doms Santa Maria Nascente. Bildrechte: Stefanie Claus

Ein Gastbeitrag von Stefanie Claus von Azzurro Diary.

Mailand – vielleicht die lebendigste Metropole Italiens – ist herrlich wandelbar und steckt voller Überraschungen. Die Hauptstadt der Lombardei hat sich gerade eine neue Skyline zugelegt und lohnt nicht nur deshalb eine Entdeckungsreise. Hier sind neun Tipps für eine Stadt, die viele zu Unrecht für hässlich halten.

Mailänder Dom und Domterrassen

Bei jedem Aufenthalt in Mailand zieht es mich zuerst zum Dom, der im Zentrum der über die Jahrhunderte gewachsenen Stadt liegt. Ein Spaziergang auf den Domterrassen gehört unbedingt zu einem Mailandbesuch dazu. Nicht wundern, wenn schon wieder ein Teil der Fassade eingerüstet ist. Marmor ist ein sehr vergängliches Material, das sich unter der Atmosphäre schnell auflöst: nach etwa 30 Jahren muss er ausgewechselt werden.

In den dreißiger Jahren machten sich die Restaurateure einen Spaß und schmuggelten einige zeitgenössische Figuren auf die Domterrassen. Sportler, Musiker, der König und der Duce sind zu erkennen. Im Statuendschungel der Domfassade versteckt sich dazu ein falscher Heiliger. Angekettet, in antiker Kleidung und die Arme trotzig vor der Brust verschränkt, schaut San Napoleone in Richtung Palazzo Reale und ist von unten gut zu erkennen.

Auch der riesige Dom selbst lohnt einen ausführlichen Rundgang. Die exakt 23,82 m lange Meridianlinie half einst bei der exakten Bestimmung des Osterdatums. Kathedralen waren ideale Orte für Zeitmessungen: je länger der Lichtstrahl, um so genauer die Berechnungen der Astronomen.

Der Blick von den Mailänder Domterrassen nach Norden. Es sind die Dächer der Stadt, ein paar Wolkenkratzer und schneebedeckten Spitze der Berge zu sehen.
Der Blick von den Domterrassen nach Norden. Bildrechte: Stefanie Claus

Sehenswertes im Quadrilatero della moda

Ein Bummel durch Mailands hochpreisiges Modeviertel Quadrilatero d’Oro um die Straßen Via Montenapoleone und Via della Spiga lohnt sich nicht nur für die verführerischen Schaufenster der Designerboutiquen. Hier befinden sich mit dem Museo Poldo Pezzoli (Via Manzoni 12) und Museo Bagatti Valsecchi (Via Gesù 5) zwei lohnenswerte Case Museo: herrlich imposante palazzi voller Kunstschätze. Tipp für Besucher: mit La Card vier Museen zum Preis von zwei entdecken.

Der Dom während des Fassadenbaus, die ländliche Idylle an den Navigli und das städtische Leben auf dem Domplatz: Im Palazzo Morando (Via Sant’Andrea 6) verbirgt sich eine feine Gemäldesammlung mit historischen Ansichten von Mailand vom 15. bis ins 20. Jahrhundert.

Palazzo Morando: Gemälde des Mailänder Doms ohne Marmorfassade

Auf die Mailänder Fashion Week ohne Einladung

Wer vom Besuch der Fendi-Schau in der Frontrow träumt, sollte sich zunächst eine große Instagramreichweite zulegen. Doch die Atmosphäre der Mailänder Fashionweek schnuppern können Fashionistas auch ohne Einladung zu einer Schau. Alles beginnt mit einem Blick auf den Schauenkalender einige Wochen vor der Modewoche. Hier werden nach und nach alle Locations bekannt gegeben. Zum Streetstyle Stars und Prominente gucken dann einfach vor der Schau einfinden. Manchmal findet eine Schau unter freiem Himmel statt, wie Gucci 2017 auf dem Domplatz. Ohne Einladung kann man die Präsentationen der jungen Designer „Fashion Hub Market“ und die Finalisten des Wettbewerbs für nachhaltige Mode anschauen. Im Fashion District Tortona, wo viele Modehäuser ihre Hauptsitze haben, sprießen während der Modewochen die Showrooms und Pop-up Stores aus dem Boden.

Anna Wintour, Chefredakteurin der US-amerikanischen Ausgabe der Vogue in Mailand. Perfekt gestylt betritt sie umringt von Journalisten und Fans ein Gebäude.
Anna Wintour, Chefredakteurin der US-amerikanischen Ausgabe der Vogue, in Mailand – Armani Februar 2018. Bildrechte: Stefanie Claus

Quadrilatero del silenzio

Laut, schnell und geschäftig – zweifellos eine treffende Charakterisierung Mailands. Doch die Stadt kann auch ruhiger: in den Straßen um die Via Mozart, die die Mailänder deshalb Quadrilatero del silenzio getauft haben. Im gediegenen Villenviertel steht die in den 1930er Jahren von Piero Portaluppi erbaute, prächtig ausgestattete Industriellenvilla Necchi Campiglio (Via Mozart 14, sie gehört zu den oben erwähnten Case Museo und kann ebenfalls mit der Card besichtigt werden). Mit den Jugendstilvillen um die Piazza Eleonora Duse über die Skulpturen von Adolfo Wildt (Casa dell’orecchio, Via Serbelloni 10) und den Rosa Flamingos im versteckten (nicht öffentlich zugänglichen) Garten der Villa Invernizzi (am besten durch das Eisentor in der Via Cappuccini schauen) zeigt sich Mailand von einer überraschenden Seite.

Leonardo da Vincis Weinberg

Leonardo da Vinci kam auf Vermittlung der Familie Medici an den Mailänder Hof der Sforza und trat als Zeremonienmeister in deren Dienste. Er schenkte Mailand nicht nur eine Müllentsorgung, die viel zur Lebensqualität in der Stadt beitrug, sondern führte mal eben die Perspektive in die abendländische Malerei ein: im berühmten Abendmahlfresko im Refektorium der Kirche Santa Maria delle Grazie. Während der Arbeit daran wohnte er im Palazzo Casa degli Atellani, wo ihm Ludovico Sforza für seine treuen Dienste einen Weinberg geschenkt hatte. Seit 2015 sind der renovierte Renaissance-Palazzo samt Weinberg mit originalen, neu gepflanzten Malvasia-Reben zu besichtigen (Corso Magenta 65).

Stazione Centrale und Memoriale della Shoah

Ihren bombastischen Hauptbahnhof – einen Stilmix aus römischer Monumentalarchitektur, Klassizismus und Art Deco verspotten die Mailänder gern als assyrisch-lombardisch. Dem Duce gefiel’s und der Bau beeindruckt auch heute noch, selbst wenn der Pomp unter den Werbetafeln etwas verloren geht. Interessant ist, dass sich unter den Gleisen des Kopfbahnhofs ein exakt so großer, unterirdischer Güterbahnhof versteckt, der heute nicht mehr genutzt wird. Seit 2013 erinnert hier die Holocaustgedenkstätte Memoriale della Shoah (Piazza Edmond J. Safra 1, www.memorialeshoah.it/visit) an die jüdische Deportation.

Pietà Rondanini – Als Michelangelo seine Meinung änderte

Zugegeben, mit der perfekten Schönheit seines Jugendwerks der Römischen Pietà im Petersdom hat die Pietà Rondanini nichts gemeinsam. Kein Wunder, ist sie doch seine letzte Skulptur und noch dazu unvollendet geblieben. Das Thema der Pietà als künstlerisches Motiv – der Moment, in dem Maria ihren toten Sohn nach der Kreuzabnahme im Schoß hält – hat Michelangelo sein Leben lang begleitet. Hier gibt er dem Thema eine neue und ungewöhnliche Ausgestaltung. Beide Figuren sind in aufrechter Haltung dargestellt, wobei nicht ganz klar ist, wer wen stützt und hält. Das scheint sich je nach Position des Betrachters zu ändern. Die Züge sind nicht fein ausgearbeitet und mehrere Bearbeitungsphasen sind deutlich sichtbar, zum Bespiel wenn ein Bein unverbunden scheint. Die Skulptur wirkt eher wie ein modernes Kunstwerk und lädt zum Nachdenken ein. Seit 2015 ist sie in ihrem eigenen, kleinen und erdbebensicheren Museum im Castello Sforzesco zu sehen.

Ein Ausschnitt von Michelangelos Pietà Rondanini im Castello Sforzesco. Beide Figuren sind in aufrechter Haltung dargestellt, wobei nicht ganz klar ist, wer wen stützt und hält. Die Züge sind nicht fein ausgearbeitet und mehrere Bearbeitungsphasen sind deutlich sichtbar.
Ein Ausschnitt von Michelangelos Pietà Rondanini im Castello Sforzesco

Kostenloser Panoramablick vom Palazzo della Lombardia

Ausblicke auf die Mailänder Skyline sind vom Torre Branca im Parco Sempione und den Domterrassen zu haben. Höchster Aussichtspunkt Mailands aber ist das Belvedere auf der 39. Etage des Palazzo Lombardia mitten im neu gestalteten Viertel Isola (offen sonntags 10 bis 18 Uhr, aktuelle Hinweise auf der Seite der Regione Lombardia)

Designermode zum Schnäppchenpreis – acht Designer-Outlets in Mailand’s Zentrum

So am Ende eines besichtigungsreichen Tages kommt sie meist doch auf, die Lust auf einen Einkaufsbummel. Für Designermode zum Schnäppchenpreis verrate ich einige lohnenswerte Designer-Outlets in Mailand (für mehr Shopping-Insiderwissen siehe unten mein Buchtipp). Es gibt zwei Arten von Outlets, die echten Fabrikverkäufe und die Stocchisti. Fabrikverkäufe sind Verkaufsräume am oder in der Nähe des Hauptsitzes eines Modehauses, in denen du die vergangenen Kollektionen mit Preisnachlässen kaufen kannst. In Mailand sind das zum Beispiel Marni (Via Giancarlo Sismondi 70), Valextra (Via Cerva 11), Etro (Via Spartaco 3) und Diffusione Tessile (Max Mara und Co., Galleria San Carlo 6, Nähe Piazza San Babila). Stocchisti kaufen Restposten vergangener Kollektionen verschiedener Labels auf und verkaufen diese oft mit Preisnachlässen von bis zu 70 % weiter. In Mailand gibt es: Il Salvagente (Via Fratelli Bronzetti 16), DMagazine (Via Bigli 4 und Via Manzoni 44), Matia’s (Piazza Mirabello 4) und Highline (Corso Vittorio Emanuele 30).

Buchtipp

Mein E-Book „Mailand Fashion Guide“ findest du für 8,99 Euro bei mir auf Azzurro Diary.

Über STEFANIE

Die Reiseautorin und Bloggerin Stefanie Claus.

Autorin & Bloggerin. Nach Leben und Arbeiten in sechs verschiedenen Ländern jetzt in Verbania am Lago Maggiore zu Hause. Einen Ort entdecken heißt alle Sinne nutzen – sehen, hören, zuhören, berühren, schmecken. Die Sprache sprechen kann Wunder bewirken oder ein Tanz zu lokaler Musik!