Kultur

Petra Reski – Als ich einmal in den Canal Grande fiel

Petra Reski, 01/2018 Venedig, Copyright: Paul Schirnhofer

Petra Reski hielt Venedig für überschätzt… bis sich ihr 1991 ein Venezianer in den Weg warf. Seitdem lebt die Journalistin und Schriftstellerin in Venedig und schreibt über Italien. Entschlossen berichtet sie über die Mafia, besonders über die in Deutschland. Geschickt durchleuchtet sie den „Thriller“ um das sogenannte Killerbakterium Xylella, das angeblich für das Vertrocknen jahrhundertealter Olivenbäume in Apulien verantwortlich ist. Und sie kämpft unermüdlich gegen den Ausverkauf ihrer Herzensstadt Venedig. Ihr neues Buch „Als ich einmal in den Canal Grande fiel“ ist ein schonungsloser Bericht über die Plünderung der Lagunenstadt, ein Aufruf zum Widerstand und vor allem eine Liebeserklärung an eine der schönsten Städte der Welt.

Venedigs große und kleine Geheimnisse

„Aber ab fünf Uhr nachmittags war der Zauber ungebrochen, man hörte wieder die eigenen Schritte und die Schreie der Schwalben im Sturzflug. Im Caffè Florian saßen nach Veilchenpuder duftende venezianische Contessen, deren Beine so kurz waren, dass sie den Boden nicht berührten.“

Dass die venezianischen Contessen, damals Anfang der Neunziger, gar keine richtigen Contessen waren, erfuhr Petra Reski erst nachdem sie lange genug in Venedig gelebt und sich seiner Geheimnisse als würdig erwiesen hatte. Heute scheint es in dieser Stadt kein Geheimnis mehr zu geben, das die gebürtige Kamenerin nicht kennt. Aber es gibt viele kleine Wunder, die zu entdecken sie besonders liebt und für die es sich zu kämpfen lohnt. „Gegen die Vereinheitlichung der Welt“. So wie die Pflanzen am Rande der Barene, der Salzwiesen der Lagune. Oder den Prosecco von Sant’Erasmo, der leicht nach Salz schmeckt. Und das inzwischen ausgestorbene Metier der Impiraresse. Eine Kette wie aus flüssigem Gold bekam sie zu ihrem Geburtstag von einer dieser ehemaligen Perlenauffädlerinnen, der Frau von Alberto dem Fischer, geschenkt. Dessen „Ciao Amore“ liebte Petra Reski so sehr… bis auch er dem „Overtourism“ Venedigs nicht mehr standhielt und auf das Festland nach Mestre zog, wo seine schmetternde Stimme ihre Kraft verlor.

Nur noch vier Katzen

Bald sind sie wirklich nur mehr „quattro gatti“ (vier Katzen), wie der Venezianer an Petra Reskis Seite zu sagen pflegt. Und dies lässt sich, wie wir in diesem Buch lernen, nicht mit strukturellem Wandel oder Gentrifizierung schönreden, sondern beruht auf wirtschaftlichen Interessen politischer Entscheidungsträger, den Investitionsfeldzügen großer Unternehmensgruppen sowie den Touristen, die Venedig nicht von Disneyland zu unterscheiden wissen. Und vor allem auf Profitgier.

Copyright alle Fotos: Petra Reski

„Als ich zum ersten Mal in einem Alitalia-Bordmagazin […] lese, dass eine Wohnung in Venedig goldene Eier lege, weil man sie als Ferienwohnung das ganze Jahr über vermieten könne, bin ich noch ungläubig. Bald darauf bemerke ich jedoch, dass immer mehr Menschen mit Rollkoffern aus venezianischen Haustüren fallen…“

Widerstand aus Liebe

Das Bild von Venedigs Zukunft müsste uns vor allem angesichts der fortdauernden Zerstörung der Lagune, unter anderem durch die Kreuzfahrtschiffe und das Flutsperrwerk Mose, düster stimmen. Wäre da nicht Petra Reskis unverkennbare, von Fakten geprägte und mit diesem gewissen Hauch Sarkasmus belegte Art zu berichten, die uns am liebsten sofort aufstehen lässt, um für Venedig zu kämpfen. Für die Stadt, die sie so sehr liebt. Was besonders dann zum Ausdruck kommt, wenn sie von ihrem Boot, ihrer topetta, und von diesem einen speziellen Bewohner mit den breiten Handgelenken, dem Venezianer an ihrer Seite, spricht. Und wenn sie uns die Schönheiten Venedigs beschreibt, wie es nur eine Venezianerin kann:

„Frühmorgens im Spätsommerlicht ist die Haltestelle San Marco die schönste Haltestelle der Welt, mit dem tiefblauen Markusbecken, dem Himmel in reinstem Azur und dem gleißenden Marmor der Punta della Dogana, dem einstigen Zollgebäude, das sich wie ein Schiffsbug zwischen Canal Grande und Canale della Giudecca schiebt. Auf dem Dach thront die Macht des Schicksals mit der Göttin Fortuna, die auf der goldenen Weltkugel tanzt und sich in die Richtung dreht, in der sie der Wind weht.“

Copyright: Federico Sutera

Hoffnung und Chancen

„Noch nie haben wir Venedig so erlebt. Kein einziges Kreuzfahrtschiff weit und breit. Keine Taxiflottillen, keine Ausflugsschiffe, die durch die Lagune pflügen. Nur Farben und Stille. Venedigs Vergewaltigung ist vorübergehend ausgesetzt.“

Die Krise als Chance nutzen das müssen wir nicht anderen überlassen. Wir können uns ganz bewusst für unseren kleinen Beitrag zum großen Ganzen entscheiden. Petra Reskis Buch hilft uns zu verstehen was zu tun ist, und vor allem für wen: für die kleinen Venezianer, die heimischen Lagunenfische und für etwas, das größer ist als wir selbst.


Mehr über Petra Reski findet ihr auf ihrer Homepage mit Blog und natürlich auch in den sozialen Netzwerken.